03.03.2023

Grundsätzliche Auskunftspflicht über nicht öffentliche Gemeinderatssitzungen

Beschluss des VGH Baden-Württemberg

Grundsätzliche Auskunftspflicht über nicht öffentliche Gemeinderatssitzungen

Beschluss des VGH Baden-Württemberg

Kommunen ist zu raten, bereits bei der Festlegung der Tagesordnung gründlich zu prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine nichtöffentliche Behandlung vorliegen. | © momius - stock.adobe.com
Kommunen ist zu raten, bereits bei der Festlegung der Tagesordnung gründlich zu prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine nichtöffentliche Behandlung vorliegen. | © momius - stock.adobe.com

Im PUBLICUS vom 25.03.2022  haben wir über zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen berichtet, wonach Antragsteller grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, von den betroffenen Städten Auskunft über in nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen beschlossenen Grundstückskaufverträgen zu erhalten. Inzwischen hat auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem Fall entschieden.

Im vom Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe entschiedenen Fall (Urt. v. 17.12.2021 – 1 K 3842/20) hat die beklagte Stadt von der durch das Gericht eingeräumten Möglichkeit der Einlegung der Berufung keinen Gebrauch gemacht. Die 10.  Kammer des VG Freiburg hat gegen sein Urteil vom 30.11.2021 (10 K 4047/20) die Berufung nicht zugelassen. Der von der beklagten Stadt gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom VGH abgelehnt (Beschl. v. 20.12.2022 – 10 K 195/22). Der VGH sah keinen der gesetzlichen Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als erfüllt an. Insbesondere ergaben sich für den Senat aufgrund der Antragsbegründung in der Sache keine Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar. Es obliegt nun der beklagten Stadt, aufgrund des Verpflichtungsurteils des VG einen Verwaltungsakt über den Informationszugang des Klägers zu erlassen. Diesen könnte, worauf der Senat hingewiesen hat, die Vertragspartnerin der beklagten Stadt anfechten, da deren Beiladung unterlassen wurde (vgl. § 121 Nr.  1 VwGO). Daraus ergebe sich die Möglichkeit einer erneuten Rechtsprüfung des Vorgangs. Ob dies tatsächlich erwogen wird, steht wohl noch nicht fest.


Die tragenden Entscheidungsgründe des Senats ergeben sich aus dem inzwischen zum Beschluss veröffentlichten Leitsatz des VGH, der wie folgt lautet:

  1. Die Sperrwirkung des §38 Abs.  2 Satz4 GemO für den allgemeinen Informationsanspruch gemäß § 1 Abs.  3 LIFG kann weder im Rahmen einer „Gesamtbetrachtung“ noch im Wege einer Analogie auf die den Gegenstand nichtöffentlicher Beratungen bildenden Vorgänge (Beratungsunterlagen) erweitert werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 04.02.2020 – 10 S 1229/19 – VBlBW 2021, 16 = juris Rn.  41).
  2. Die Darlegung nachteiliger Auswirkungen auf die Interessen der informationspflichtigen Stelle im Wirtschaftsverkehr im Sinne von §4 Abs.  1 Nr.  9 LIFG erfordert, dass die konkret betroffenen fiskalischen Interessen benannt werden und plausibilisiert wird, dass und inwieweit diese durch ein Bekanntwerden des Informationsgegenstands nachteilig betroffen werden.
  3. Der pauschale Verweis auf allgemeine kaufmännische Belange genügt zur Darlegung schutzbedürftiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne von §6 Satz2 LIFG nicht.
  4. Die unterlassene Beiladung eines Drittbetroffenen, die bei informationsfreiheitsrechtlichen Verpflichtungsklagen nicht notwendig im Sinne von §65 Abs.  2 VwGO ist, begründet keinen zur Zulassung der Berufung gemäß §124 Abs.  2 Nr.  5 VwGO führenden Verfahrensmangel.

Der Städtetag Baden-Württemberg hat den Leitsatz in einem Rundschreiben vom 09.01.2023 (Az.  044.15 – R 40225/2023 – Br) um folgende Orientierungssätze ergänzt:

  • Es bedarf in einem Auskunftsersuchen an die Stadt keiner ausdrücklichen Bezugnahme auf das LIFG. Die Verwaltung hat als „informationspflichtige Stelle“ von sich aus zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung (Informationszugang) gemäß LIFG vorliegen.
  • Ein etwaiges Akteneinsichtsrecht nach §29 LVwVfG schließt einen Informationsanspruch nach LIFG nicht aus (§ 1 Abs.  3 LIFG). Die Voraussetzungen für eine Informationserteilung nach LIFG sind also ggf. ergänzend zu den Voraussetzungen für eine Akteneinsicht zu prüfen.
  • Das LIFG wird durch ein vorrangiges Fachgesetz nur im Rahmen von dessen sachlicher Reichweite verdrängt und bleibt außerhalb dieses spezialgesetzlichen Regelungsgehalts anwendbar.
  • Der VGH hat in seinem Urteil vom 04.02.2020 10 S 1229/19 zwar offengelassen, ob Schutzgut einer nichtöffentlichen Sitzung nur der Beratungsprozess ist oder ob auch Beratungsunterlagen und das Beratungsergebnis erfasst werden. Gleichzeitig hat der Senat aber klargestellt, dass „der Zugang zu Unterlagen (Beratungsgrundlagen) einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung […] nicht Regelungsgegenstand des §38 Abs.  2 Satz 4 GemO ist“.
  • Sollte die Stadt geklärt haben wollen, ob §38 Abs. 2 Satz 4 GemO im Rahmen einer „Gesamtbetrachtung“ oder im Wege einer Analogie als Sperrvorschrift im Sinne von § 1 Abs.  3 LIFG erweiternd ausgelegt werden kann, ist diese Frage ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen unter Anwendung der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation zu verneinen.Der Senat hat klargestellt, dass „der Zugang zu Unterlagen (Beratungsgrundlagen) einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung […] nicht Regelungsgegenstand des §38 Abs.  2 Satz 4 GemO ist“.

Die Befürchtungen der Kommunen bleiben

Wie bereits im PUBLICUS vom 25.03.2022 erwähnt, hat sich die beklagte Stadt und mit ihr die „kommunale Praxis“ insgesamt die Zulassung der Berufung erhofft. Damit ging die Erwartung einher, dass der VGH das erstinstanzliche Urteil im Hinblick auf befürchtete negative Auswirkungen auf die kommunale Wirtschaftsförderung korrigieren werde. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Die Befürchtungen sind geblieben (vgl. bspw. den Schwarzwälder Boten, Ausgabe Schramberg v. 27.12.2022). Diese gehen dahin, dass das Bekanntwerden von Vertragskonditionen bei Grundstücksgeschäften bspw. negative Auswirkungen auf weitere Kauf- oder Verkaufsgeschäfte für die Kommunen haben kann. Bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen sind Kommunen bei der Preiskalkulation zwar nicht frei, sondern müssen sich in der Regel nach § 92 Abs.  1 Satz 2 Gemeindeordnung (GemO; vgl. auch § 48 Landkreisordnung) an deren vollem Wert orientieren. Ferner haben sie sich entsprechend den Artikeln 107 f. des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an die Regeln und Grenzen des europäischen Beihilferechts zu halten. Gleichwohl lassen beide Bereiche unter bestimmten Bedingungen und formalen Beteiligungen Dritter durchaus Ausnahmen (vgl. § 92 Abs.  3 GemO) und damit bspw. „Preisnachlässe“ zur Förderung höherrangiger Interessen zu (vgl. hierzu Aker, in Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung, Gemeindehaushaltsverordnung Baden-Württemberg, § 2 Rn.13 und Hafner, in Aker et al, a.  a.  O. § 92 Rn.  5 und 12 GemO; Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, Kommentar, Rn.  50 ff. zu § 92 GemO; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, § 20 Rn. 139 ff. und BeckOK KommunalR Baden-Württemberg/Henkes GemO § 92 Rn. 9 jeweils m.  w.  N.). Zu diesen „höherrangigen Interessen“ zählen auch Anliegen der Wirtschaftsförderung (vgl. u.  a. Hafner in Aker et al, a.  a.  O., § 92 Rn.  12). Insoweit bestehen aus Sicht der Kommunen durchaus „schützenswerte“ Überlegungen und Abwägungen im Rahmen der jeweiligen Kaufpreisbildung.

Die Befürchtungen der Kommunen sind, das sei ergänzend erwähnt, auch dem Gesetzgeber nicht fremd. Es sei auf die amtliche Begründung zum Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) verwiesen, wo zu § 4 Absatz 1 Nr. 6 ausgeführt wird, dass eine informationspflichtige Stelle nicht gezwungen sein soll, die von ihr vertretenen Positionen bei Vertragsverhandlungen offenzulegen (Landtagsdrucksache 15/7720 S.  66).

Darauf sind die Gerichte allerdings nicht eingegangen. Sie haben auch nicht und ggf. in einem Obiter Dictum zur Frage Stellung genommen, ob nicht bspw. allgemeine Überlegungen einer Kommune zur Gewährung von Preisnachlässen bei Grundstücksgeschäften grundsätzlich schützenswert sind.

Beschluss schafft Klarheit

Dessen ungeachtet hat der Beschluss aber bezüglich einiger wesentlicher Rechtsfragen Klarheit geschaffen. Hierzu soll nachfolgend, dem Format des News Letters folgend, kursorisch Stellung genommen werden:

Der Senat hat die Auffassung des VG bestätigt, wonach sich die Sperrwirkung des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO gemäß § 1 Abs.  3 LIFG als alleiniger Regelungsgehalt auf den Zugang zu Gemeinderatsniederschriften bezieht. Der Zugang zu Beratungsunterlagen einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung gehört hingegen nicht dazu. „Soweit es um den Schutz der Vertraulichkeit des Beratungsvorgangs geht, erfolgt demgegenüber ein Schutz durch die Ausschlussregelung des § 4 Abs.  1 Nr.  6 LIFG“. § 4 Abs.  1 Nr.  9 LIFG schützt die Interessen der informationspflichtigen Stellen im Wirtschaftsverkehr (vgl. hierzu S.  9 des Beschlusses).

Aufgrund „der differenzierten Regelungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes zum Schutz bestimmter Rechtsgüter und Individualinteressen“ schließt der Senat eine erweiternde Auslegung der Sperrwirkung des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO im Rahmen einer „Gesamtbetrachtung“ aus. Auch schließt er „mangels Regelungslücke“ eine analoge Anwendung des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO auf den Gegenstand nichtöffentlicher Beratungen bildende Vorgänge aus (vgl. S.  9 f. und S.  16 des Beschlusses).

Mithin ist zu konstatieren, dass die vom Verfasser im PUBLICUS vom 25.03.2022 angestellten Erwägungen, im Rahmen einer „Gesamtbetrachtung“ unter Einbeziehung der Regelungen des § 35 Abs.  1 Satz 2 GemO über nichtöffentliche Sitzungen zu einem anderen Abwägungsergebnis zu kommen, vom Senat nicht geteilt werden.

Nach der Entscheidung des VGH schließt auch § 41b GemO einen Auskunftsanspruch nach dem LIFG nicht aus. Gleich dem § 35 Abs.  1 Satz 4 GemO handelt es sich auch bei § 41b GemO um keine Norm, die den „individuellen Zugang zu amtlichen Informationen abschließend regelt“ (vgl. hierzu S.  10 des Beschlusses).

Mit der Aufnahme dieser Bestimmung sollten die Vorschriften der Gemeindeordnung über die Unterrichtung der Bevölkerung über die Arbeit der kommunalen Gremien im Zeitalter des Internets angemessen ergänzt werden. Nach der Intention des Gesetzgebers dient sie einer erhöhten Transparenz und Erweiterung der Bekanntgabepflicht unter Wahrung der Anforderungen des Datenschutzes (vgl. hierzu insbesondere Landtagsdrucksache 15/7265 S.  19 und 42; Aker, a.  a.  O., § 41b Rn.  1 f. GemO und BeckO KommunalR, a.  a.  O., Brenndörfer GemO § 41b Rn.  2).

Zwar ist den Kommunen untersagt, nichtöffentliche Unterlagen zu veröffentlichen oder gar ins Internet einzustellen. Hiervon zu unterscheiden ist aber die Problematik der Weiterverwendung von solchen, über das LIFG erlangter Unterlagen durch Dritte. Dies ist aber eine Frage des Datenschutzes, insbesondere auch des Datennutzungsgesetzes (DNG) von 2021. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass im Einzelfall eine dritte Person so erlangte Daten (bspw. einen Kaufvertrag) berechtigterweise ins Internet einstellen darf, was einer Kommune untersagt ist.

Auf der Suche nach Auswegen

Wie bereits angesprochen, empfinden kommunale Praktikerinnen und Praktiker sowie Verbandsvertreter die Auswirkungen der dargestellten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte insbesondere auf die kommunale Wirtschaftsförderung für problematisch. Deshalb werden „Auswege“ aus dieser als „Dilemma“ empfundenen Situation erwogen.

Auf zwei der vorrangig diskutieren Überlegungen möchte ich kurz eingehen:

Eine Überlegung geht dahin, bspw. Vertragstexte in die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung aufzunehmen und sie damit in die Sperrwirkung des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO gemäß § 1 Abs.  3 LIFG einzubeziehen. Dies ist möglich, nachdem § 38 Abs.  1 Satz 1 GemO für Niederschriften nur einen Mindestinhalt vorschreibt und deshalb „weitere Angaben“ enthalten können. (vgl. Aker a.  a.  O., § 38 GemO Rn.  7). Denkbar ist es auch, derartige Texte als Anlagen zur Niederschrift aufzunehmen (Kunze/Bronner/Katz/, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 38 Rn.  2).

Es gibt gute Gründe zur Annahme, dass Anlagen zu Niederschriften Teile der Niederschriften sind und so von der Sperrwirkung des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO umfasst werden (vgl. Kunze/Bronner/Katz, a.  a.  O., § 38 Rn.  8b). Entsprechende Dokumente müssen aber, ob in den Text oder der Anlage zur Niederschrift aufgenommen, „als Bestandteil der Arbeitsgrundlagen, auf deren Basis“ die nichtöffentliche Beratung im Gemeinderat erfolgt, erst gemäß § 34 Abs.  1 Satz 1 GemO in die Sitzung eingeführt werden. Verträge, um bei diesem Beispiel zu bleiben, liegen somit immer auch außerhalb der Niederschrift vor. Insoweit fallen sie nach der Rechtsprechung eben nicht in den Regelungsgehalt des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO (vgl. hierzu insbesondere S.  9 des Beschlusses des VGH und S.  12 f. des Urteils des VG Freiburg). Es spricht zudem wenig dafür, dass die Rechtsprechung bei Inhaltsgleichheit von Anlagen zur Niederschrift und Sitzungsvorlagen Letztere in den Regelungsbereich des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO und damit in den Schutz vor Auskünften nach dem LIFG einbeziehen würde.

Der hier diskutierte Vorschlag scheint deshalb nicht zum gewünschten Ergebnis zu führen.

Die Kommunalen Landesverbände führen mit dem Innenministerium Gespräche, ob Ihrem Anliegen mit einer Gesetzesänderung Rechnung getragen werden könnte. Dies auch auf dem Hintergrund, dass die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und des VGH sich bislang nur mit der Fallkonstellation von vollständig abgewickelten Kaufverträgen beschäftigt haben, woraus sich keine Bindungswirkung für künftige Grundstücksverkäufe entfalten konnte (vgl. Urteil des VG Freiburg, S.  18 m.  w.  N.).

Nach Auffassung des Verfassers könnte bspw. erwogen werden, Beratungsunterlagen oder Teile davon lege ferenda in den Schutzbereich des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO einzubeziehen. Das LIFG stünde einer solchen Regelung grds. nicht im Wege. Nach der Rechtsprechung des 10.  Senats des VHG bildet nämlich das LIFG keinen Mindeststandart ab, „sondern kann durch restriktive Spezialgesetze verdrängt werden“. Dies unabhängig davon „ob das Fachrecht älter oder jünger als das LIFG ist“ (Urt. v. 04.02.2020 – 10 S 1229/19 = VBlBW 2021, 16, 17 m.  w.  N.; vgl. auch Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 55).

Neben grundsätzlichen rechtlichen Bedenken spricht wenig dafür, dass sich derzeit dafür im Landtag eine Mehrheit finden ließe, nachdem die grün-schwarze Regierungskoalition sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, „auf der Basis der Evaluationsergebnisse das Landesinformationsfreiheitsgesetz zu einem Transparenzgesetz weiterzuentwickeln, das einen angemessenen Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung gewährleistet…“ (S.  95 f. des Koalitionsvertrages „JETZT FÜR MORGEN“ v. 11.05.2021).

Vorläufige Schlussfolgerungen

Rechtliche Überlegungen von Herrn Stadtrechtsdirektor Tobias Steinmetz, LH Stuttgart, aufnehmend, lassen sich aus Sicht der Kommunen zum streitgegenständlichen Thema drei Fallgruppen unterscheiden:

  1. Die unberechtigte Einstufung eines Grundstücksgeschäfts als nichtöffentlich, woraus sich kein Schutz vor Auskunftsbegehren nach dem LIFG ableiten lässt.
  2. Die (ursprünglich) berechtigte Einstufung eines Grundstücksgeschäfts als nichtöffentlich, woraus sich so lange ein Schutz vor Auskunftsbegehren ableiten lässt, solange die zur Nichteinstufung als nichtöffentlich herangezogenen Belange andauern (z.   noch nicht abgeschlossener Grunderwerb in einem sich erst in der Entwicklung befindlichen Baugebiet).
  3. Die ausnahmsweise dauerhaft berechtigte Einstufung eines Grundstücksgeschäfts als nichtöffentlich mit dauerhaftem Schutz vor Auskunftsbegehren (z. B  Konstellation mit sehr vielen personenbezogenen Daten und/oder mit Besonderheiten der Wertermittlung, welche den Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen etc. des Vertragspartners bedingen).

Einstweilen bleibt den Kommunen bei Auskunftsbegehren außerhalb des Regelungsbereiches des § 38 Abs.  2 Satz 4 GemO nur übrig, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Ausschlussregelung nach dem LIFG vorliegen, um diese ggf. in ablehnenden Bescheiden nach Maßgabe der Verwaltungsgerichte ausreichend und nachvollziehbar zu begründen (vgl. bspw. Leitsatz Ziff.  2 zum Beschluss des VGH). Sie müssen dabei darauf achten, dass sie nicht durch die Begründung der Ablehnung selbst das zu schützende Interesse der Kommune bereits ungewollt offenbaren.

Auch kann der Zugang zu Dokumenten unter Schwärzung personenbezogener Daten gewährt werden (vgl. hier das Urteil des VG Karlsruhe).

In diesem Zusammenhang ist den Kommunen zu raten, bereits bei der Festlegung der Tagesordnung gründlich zu prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine nichtöffentliche Behandlung eines Tagesordnungspunktes nach § 35 Abs.  1 Satz 2 GemO vorliegen. Denn in der Praxis herrscht nach wie vor die Auffassung vor, dass Grundstücksgeschäfte grundsätzlich nichtöffentlich zu behandeln sind. Das Gegenteil ist aber der Fall (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.09.2018 – 3 S 1465/18 = VBlBW 2019, 114; vgl. hierzu auch Aker, a.  a.  O., § 35 Rn.  14; BeckOK KommR, BW, Brenndörfer GemO § 35 Rn.  19; Engel/Heilmann, a.  a.  O., § 14 Rn.  148; Kunze/Bronner/Katz, a.  a.  O., § 35 GemO Rn.  6a und Pautsch in Ade/Pautsch/Weber, Rn. 11 zu § 35 GemO und jeweils m.  w.  N.).

Ergänzender Hinweis und Anmerkung des Autors zum vorstehenden Beitrag

Die eingangs zitierte Entscheidung des VG Karlsruhe v. 17.12.2021 – 1 K 3842/20 wurde zwar nicht von der beklagten Stadt, aber den zum dortigen Verfahren Beigeladenen mit der Berufung angefochten. Mit Urteil vom 24.11.2022 – 10 S 439/22 wurden die Berufungen vom VHG Baden-Württemberg zurückgewiesen.

Der VGH hat sich in dieser Entscheidung auch mit der Frage beschäftigt, ob § 12 Grundbuchordnung (GBO) – Einsicht in das Grundbuch – eine vorrangige Sonderregelung im Sinne von § 1 Abs. 3 LIFG darstellt und hat diese Frage verneint.

Der Leitsatz der VGH-Entscheidung lautet wie folgt:

  1. Der Anspruch auf „erweiterte“ Einsicht in die beim Grundbuch verwahrten Grundakten (§ 12Abs. 1 GBO) stellt keine vorrangige Sonderregelung im Sinne von § 1 Abs. 3 LIFG dar, die einen gegen eine Gemeinde gerichteten Anspruch gemäß § 1 Abs. 2 LIFG auf Einsicht in einen von dieser geschlossenen Kaufvertrag über eine Konversionsliegenschaft sperren könnte.
  2. Ein solcher Grundstückskaufvertrag beinhaltet für sich genommen keine nach § 6 Satz 2 LIFG geschützte Geschäftsgeheimnisse der BImA oder beteiligter kommunaler Wohnungsbau- und Projektentwicklungsgesellschaften.

Fundstellen: openjur 2023, 2865 und VBlBW 2023, 479.

Dr. Herbert O. Zinell

Dr. Herbert O. Zinell

Senator E.h. Dr. Herbert O. Zinell, Ministerialdirektor a.D. und Oberbürgermeister a.D
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