18.12.2020

EuGH bestätigt: CBD ist kein Betäubungsmittel

Wegweisendes EuGH-Urteil erleichtert die Vermarktung von CBD-Produkten

EuGH bestätigt: CBD ist kein Betäubungsmittel

Wegweisendes EuGH-Urteil erleichtert die Vermarktung von CBD-Produkten

Der Begriff „Cannabis“ bezieht sich nach dem UN-Einheitsübereinkommen auf die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist. ©Irina - stock.adobe.com
Der Begriff „Cannabis“ bezieht sich nach dem UN-Einheitsübereinkommen auf die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist. ©Irina - stock.adobe.com

Für natürlich gewonnenes Cannabidiol (CBD) kommt der EuGH zu dem Schluss, dass es sich nicht um ein Betäubungsmittel im Sinne des UN-Einheits-Übereinkommens von 1961 handelt.

Ob Creme, Kapseln oder Schokolade: Der Markt für Produkte mit Cannabidiol (CBD) wächst. Hersteller und Händler von CBD-Produkten befürchteten zuletzt jedoch ein drohendes Vermarktungsverbot. So hatte die EU-Kommission im Juli 2020 überraschend alle laufenden Anträge auf Zulassung von CBD-haltigen Lebensmitteln als „Novel Food“ ausgesetzt. Nach ihrer vorläufigen Auffassung sei natürlich gewonnenes CBD als „betäubungsmittelrechtlich relevant“ einzustufen. Das hätte zur Folge gehabt, dass allenfalls noch Produkte mit synthetischem CBD verkehrsfähig gewesen wären. Auch deutsche Gerichte und Behörden waren bei der Bewertung von CBD-haltigen Produkten zunehmend strenger geworden und verboten den Verkauf von CBD-Produkten. Zudem sorgten Beschlagnahmungen und Razzien durch die Polizei immer wieder für Schlagzeilen.

Die aktuelle Entscheidung des EuGH (Urteil vom 19. November 2020, C-663/18) lässt nun jedoch eine wichtige Hürde für die Vermarktung von CBD-Produkten fallen. So bestätigt der EuGH, dass natürlich gewonnenes CBD nicht als Betäubungsmittel einzustufen ist.


Frankreich legt dem EuGH Frage zu CBD in e-Zigaretten vor

Dem EuGH-Verfahren lag die Vermarktung einer elektronischen Zigarette in Frankreich zugrunde, deren Liquid CBD enthält. Die Geschäftsführer des die elektronische Zigarette vertreibenden Unternehmens wurden vom Strafgericht Marseille verurteilt. Begründet wurde die Verurteilung damit, dass das enthaltene CBD-Öl aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze einschließlich ihrer Blätter und Blüten gewonnen werde. Nach französischem Recht dürfen aber nur die Fasern und Samen des Hanfs gewerblich genutzt werden. Das in der Zigarette enthaltene CBD-Öl wurde in der Tschechischen Republik unter Nutzung der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze, die auch vor Ort angebaut wurde, rechtmäßig hergestellt. Das Berufungsgericht Aix-en-Provence legte dem EuGH daher die Frage nach der Vereinbarkeit der französischen Regelung mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Vorschriften über den freien Warenverkehr, vor.

CBD ist kein Betäubungsmittel: Warenverkehrsfreiheit findet Anwendung

Unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung weist der EuGH in seiner Entscheidung darauf hin, dass Betäubungsmittel, einschließlich derjenigen auf Hanfbasis, nicht unter die Warenverkehrsfreiheit fallen. Es gelte ein Einfuhr- und Verkehrsverbot in allen Mitgliedstaaten. Ausgenommen hiervon sei lediglich der streng überwachte Handel zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke.

Für natürlich gewonnenes CBD kommt der EuGH jedoch zu dem Schluss, dass es sich nicht um ein Betäubungsmittel im Sinne des UN-Einheits-Übereinkommens von 1961 handelt. Das UN-Einheits-Übereinkommen listet Cannabis, Cannabisharz, Cannabisextrakte und Cannabistinkturen in seinem Anhang I auf. Somit zählt Cannabis zu den Betäubungsmitteln mit der höchsten Gefahrenklasse. Der Begriff „Cannabis“ bezieht sich nach dem UN-Einheitsübereinkommen auf die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist. Ausgenommen hiervon sind die nicht mit solchen Ständen vermengten Samen und Blätter.

Laut EuGH könne die rein wörtliche Auslegung der Bestimmungen zu dem Schluss führen, dass CBD, soweit es aus der Cannabis-Pflanze einschließlich ihrer Blüten- und Fruchtstände als Ganzes gewonnen werde, ein Cannabisextrakt ist. Damit wäre es ein Betäubungsmittel i.S.d. Einheits-Übereinkommens. Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass Ziel des UN-Einheits-Übereinkommens der Schutz der Gesundheit und das Wohl der Menschheit sei. Dieses Ziel müsse bei der Auslegung der Bestimmungen dieses Übereinkommens berücksichtigt werden. Aus den ihm vorliegenden Unterlagen könne der EuGH aber nicht erkennen, dass CBD auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten psychotrope Wirkungen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit habe. Es widerspräche somit dem Ziel und dem Grundgedanken des Einheits-Übereinkommens, CBD als Cannabisextrakt in die Definition der Betäubungsmittel im Sinne dieses Übereinkommens einzubeziehen.

Die Regelungen zur Warenverkehrsfreiheit seien also auf CBD anwendbar und stünden einer nationalen Regelung entgegen, die es verbiete, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes CBD zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis Sativa-Pflanze gewonnen werde.

Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit zum Schutz der Gesundheit nur auf Basis von wissenschaftlichen Daten möglich

Der EuGH erkennt zwar an, dass es den Mitgliedstaaten möglich sei, die Warenverkehrsfreiheit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit einzuschränken. Der Schutz der Gesundheit sei ein hohes Gut und es sei Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Erforderlich für ein Verbot zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sei aber eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips, d.h. die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der Verwendung des betreffenden Produkts auf die Gesundheit. Eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung müsse Grundlage für diese Bewertung sein. Ein Mitgliedstaat sei zwar nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass die gefährliche Eigenschaft von CBD identisch mit derjenigen von Betäubungsmitteln sei. Er dürfe sich jedoch auch nicht auf rein hypothetische Erwägungen stützen.

CBD-Markt blickt optimistisch in die Zukunft

Das Urteil stimmt Unternehmen, die im wachsenden CBD-Markt tätig sind, optimistisch. Hätte sich die vorläufige Auffassung der EU-Kommission, natürlich gewonnenes CBD als Betäubungsmittel zu behandeln, auch beim EuGH durchgesetzt, hätte dies weitreichende Folgen für die Vermarktung von CBD-Produkten gehabt.

Auch international hat das EuGH-Urteil Signalwirkung: Bereits im Januar 2019 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der UN auf Basis von Untersuchungen einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe eine Neueinstufung von Cannabis, THC und CBD empfohlen. Bislang war Cannabis im UN-Einheits-Übereinkommen in der höchsten Gefahrenklasse mit Stoffen wie Heroin gelistet. Die Arbeitsgruppe der WHO kam zu dem Ergebnis, dass die in ihren Untersuchungen festgestellten Risiken diese Einstufung nicht rechtfertigen. Auch ein medizinischer Nutzen von Cannabis wurde anerkannt. Die Suchstoffkommission der Vereinten Nationen (UN) ist in einer historischen Abstimmung am 2. Dezember 2020 nun der Empfehlung der WHO gefolgt und stuft Cannabis und Cannabisharz in die niedrigste Gefahrenklasse des UN-Einheits-Übereinkommens ein. Nicht umgesetzt hat die UN indes die Empfehlungen der WHO, THC aus dem Übereinkommen über psychotrope Stoffe von 1971 zu streichen und in die niedrigste Gefahrenklasse des UN-Einheits-Übereinkommens aufzunehmen sowie CBD-Zubereitungen, die einen THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent aufweisen, ausdrücklich von den Regelungen des UN-Einheitsübereinkommens auszunehmen.

Weiterhin Einzelfallbetrachtung der Produkte notwendig

Mitgliedstaaten können nach dieser Entscheidung die Vermarktung von CBD-Produkten nicht mehr pauschal mit dem Hinweis auf einen Verstoß gegen des Betäubungsmittelgesetz verbieten. Es ist jedoch weiterhin darauf zu achten, dass weder der THC-Gehalt der verwendeten Cannabis-sativa-Pflanze noch der des Endproduktes einen THC-Gehalt von 0,2 Prozent übersteigt.

Zudem bleiben noch immer zahlreiche Fragen hinsichtlich der Einordnung von CBD-Produkten offen. So fehlt es noch immer an der laut deutschen Behörden und Gerichten erforderlichen Zulassung als Novel Food durch die EU-Kommission bei Nahrungsergänzungsmitteln. Nach der Entscheidung des EuGH hat die EU-Kommission jedoch ihre vorläufige Bewertung von CBD als Betäubungsmittel verworfen. Damit hat sie den Weg frei gemacht für eine Fortsetzung der Prüfung der zeitweise ausgesetzten Novel Food-Anträge. Vorsicht ist aber auch weiterhin vor allzu vollmundigen Werbeversprechen geboten. So ist darauf zu achten, dass Produkte mit CBD nicht aufgrund von Wirkaussagen in die Kategorie der Präsentationsarzneimittel fallen, die ohne Arzneimittelzulassung nicht verkehrsfähig sind.

Hersteller und Händler müssen also weiterhin die Zulässigkeit der Vermarktung der konkreten CBD-Produkte im Einzelfall prüfen.

 

Dr. Susanne Pech

CMS Hasche Sigle, Hamburg
 

Dr. Friederike Zezschwitz

CMS Hasche Sigle, Hamburg
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