Durchgefallen wegen fünf-minütiger Verspätung – BVerwG: Das ist unverhältnismäßig

Durchgefallen wegen fünf-minütiger Verspätung – BVerwG: Das ist unverhältnismäßig

Weil eine Jura-Studentin während der mündlichen Prüfung fünf Minuten zu spät zu einem Prüfungsgespräch erschien, erklärte das Justizprüfungsamt die staatliche Pflichtfachprüfung für nicht bestanden. Dies ist unverhältnismäßig, urteilte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig.

Mündliche Prüfungen beim juristischen Staatsexamen bestehen aus zwei Teilen. Zum ersten Teil, dem Vorstellungsgespräch, in dem die Kandidaten einzeln einen Aktenvortrag absolvieren, war die türkische Jura-Studentin pünktlich erschienen.

Sie war die erste von mehreren Prüfungskandidaten gewesen und sollte sich zum zweiten Teil der Prüfung, dem Prüfungsgespräch, erst wieder zu einem festgelegten späteren Zeitpunkt einfinden, nachdem die anderen Kandidaten ihren Aktenvortrag hinter sich gebracht hatten.

Zu dem zweiten Teil kam sie aber zu spät. Sie hatte eine Bekannte in einer nahegelegenen Wohnung besucht und die Zeit nicht richtig beachtet. Als die Studentin im Gerichtsgebäude eintraf, lief das Prüfungsgespräch bereits seit fünf Minuten – und die Aufsicht führende Wachtmeisterin verweigerte ihr den Einlass.

Ebenso blieb der Vorsitzende des Prüfungsausschusses unnachgiebig. In der Pause des Prüfungsgesprächs versagte auch er der Studentin die weitere Teilnahme an der Prüfung.

Folge des Vorfalls: Die gesamte Prüfung wurde für „nicht bestanden“ erklärt.

Die einschneidende Sanktion hatte das Justizprüfungsamt ausgesprochen und sich auf eine Vorschrift des Juristenausbildungsgesetzes in NRW berufen, wo der Fall spielt. Eine ähnliche Regelung kennt auch Baden-Württemberg (§ 18 JAPrO) sowie zahlreiche andere Bundesländer.

Die Regelung sieht vor, dass ein Prüfling die Prüfung nicht besteht, wenn er ohne genügende Entschuldigung den Termin für die mündliche Prüfung nicht bis zum Ende der Prüfung wahrnimmt.

Die Richter des BVerwG legten diese Regelung jetzt aber „verfassungskonform“ zugunsten der Studentin aus (BVerwG 6 C 3.18).

Sie entschieden, dass nur solche Fälle mit dem Nichtbestehen der Prüfung sanktioniert werden dürfen, in denen ein Prüfling aus der begonnenen mündlichen Prüfung aus eigenem Entschluss aussteigt – und nicht, wie im vorliegenden Fall, wenn einem Prüfling die weitere Teilnahme an dem Termin wegen eines vorwerfbaren Verhaltens zu Recht verweigert wird.

Bei wörtlicher Auslegung habe die Norm den Charakter einer „sanktionsrechtlichen Generalklausel“. Vorschriften, die für berufsbezogene Prüfungen Sanktionen vorsehen, unterlägen aber wegen der Berufsfreiheit „strengen Anforderungen in Bezug auf ihre Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit“, so das BVerwG.

Um diesen strengen Maßstäben gerecht zu werden, behalfen sich die Richter mit der verfassungskonformen Auslegung der Prüfungsregelung, indem sie den Fall der Studentin – anders als die Vorinstanzen – als nicht von der Regelung erfasst ansahen. Der Jura-Kandidatin eröffnet sich damit nach dem langen Jura-Studium eine neue Chance.   (jb)

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