Aufregung über die Nichtbefolgung einer gerichtlichen Anordnung – Stadt Wetzlar missachtet Bundesverfassungsgericht
Aufregung über die Nichtbefolgung einer gerichtlichen Anordnung – Stadt Wetzlar missachtet Bundesverfassungsgericht
Was gilt, wenn eine Stadt oder Gemeinde Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts einfach nicht umsetzt? Anschauungsmaterial bietet ein aktueller Streitfall in Hessen. Die Stadt Wetzlar hatte der NPD den Zugang zu ihrer Stadthalle für eine Wahlkampfveranstaltung verweigert, trotz anderslautender Entscheidungen der dortigen Verwaltungsgerichte. Schließlich wurde das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Auch dessen Anordnung kam die Stadt nicht nach.
Wahlkampfveranstaltungen rechtsextremer Parteien
Wahlkampfveranstaltungen von rechtsextremen Parteien zuzulassen fällt auch Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg schwer. Bundesweite Aufmerksamkeit erhielt etwa die Nutzung der Stadthalle in Weinheim durch die NPD, die dort mehrmals ihren Bundesparteitag abhielt, begleitet von Krawall und einem teuren Polizeieinsatz.
Weilheim verhinderte einen weiteren NPD-Auftritt im Jahr 2016 durch eine Satzungsänderung für die Nutzung der Stadthalle. Dort dürfen künftig überhaupt keine Parteien mehr auftreten.
Weniger erfolgreich war jetzt die Stadt Wetzlar. Sie hatte die Ablehnung der NPD u.a. mit fehlenden Nachweisen zum Versicherungsschutz begründet. Dies hatte den Gerichten aber nicht genügt. Solange Parteien nicht als verfassungswidrig eingestuft wurden, haben sie wie andere Parteien auch einen Anspruch auf Nutzung von Stadthallen. Dies ist gefestigte Rechtsprechung.
Herbe Kritik vom Deutschen Richterbund
Wetzlar handelte sich deshalb herbe Kritik ein, etwa vom Deutschen Richterbund, dessen Vorsitzender Jens Gnisa das Verhalten der Stadt als „indiskutabel“ bezeichnet. Wer Gerichtsentscheidungen nicht akzeptiere, verstoße gegen die Grundlagen unseres Staatswesens.
Was also tun, wenn eine Gemeinde sich partout nicht an Recht und Gesetz gebunden sieht?
Das Bundesverfassungsgericht behalf sich mit einem Schreiben an die Kommunalaufsichtsbehörde und forderte diese auf, „den Vorfall aufzuklären, notwendige aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen und das Gericht unverzüglich davon zu unterrichten.“ Denn selbst kann das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung nicht durchsetzen. Übrig bleibt die Rechtsaufsicht, deren Mittel auch in Baden-Württemberg über die Beanstandung bis hin zur Einsetzung eines Beauftragten reichen.
Das zuständige Regierungspräsidium in Hessen hatte im Wetzlarer Fall allerdings Verständnis für die Stadt gezeigt. Die Stadt habe die Anordnung aus Karlsruhe „nicht willentlich missachtet“, sondern sich in einem „Dilemma“ befunden.
Kritische Stimmen werten die Verweigerungshaltung der Stadt dagegen als Revolte. Sie sehen „unsere Rechtskultur bedroht“ oder gar einen „Burnout des Rechtsstaats“. Dass die Wetzlarer Rebellion Schule machen wird, darf allerdings bezweifelt werden. (jb)