2. Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht  

2. Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht  

Die zweite Herbsttagung der im letzten Jahr neu gegründeten und mittlerweile 198 Mitglieder zählenden Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht im Deutschen Anwaltverein fand am 17./18. November 2016 in Berlin mit über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Sie begann bereits am frühen Abend mit einer exklusiven Führung durch die Sammlung BOROS für zeitgenössische Kunst. Beim anschließenden gemeinsamen Abendessen bestand Gelegenheit zum Networking, was viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten. Der zweite Tag begann nach der Mitgliederversammlung unter der Moderation der Vorsitzenden des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht, Rechtsanwältin Dr. Annette Mutschler-Siebert.

Neuer Rechtsrahmen für Unterschwellenvergabe

Zunächst informierte Ministerialrat Dr. Thomas Solbach (BMWi) über die Änderungen im Entwurf der Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (UVgO) nach Anhörung der Verbände und weiterer Abstimmungen mit den Bundesressorts und den Ländern: Den personellen Anwendungsbereich werden die Länder individuell regeln können, sodass sie z.B. weiterhin die Anwendung der Regeln den Gemeinden nicht vorschreiben müssen. Enttäuscht waren die Zuhörer darüber, dass die Voraussetzungen für die Erlangung von Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte nun doch nicht verbessert werden sollen.
Das bedeutet, dass es keine Informations- und Wartepflicht geben wird und es reine Glückssache ist, ob eine einstweilige Verfügung der Zuschlagsuntersagung rechtzeitig erlangt werden kann. Auch auf Bundesebene sei effektiver Rechtsschutz nicht gewünscht. Die Teilnehmer erfuhren, dass die Veröffentlichung der UVgO für Anfang 2017 geplant ist, die Länder sich lange Übergangsfristen einräumen werden und das BMWi noch andere Projekte verfolgt. Das Vergaberecht bleibt also spannend.

Neues Konzessionsvergaberecht

Vor der Mittagspause referierte Rechtsanwalt Dr. Wolfram Krohn (Dentons Europe LLP) zum neuen Konzessionsvergaberecht. Sein Fazit: Aufgrund des hohen Schwellenwertes von 5,225 Mio. € netto und der erheblichen Erleichterungen für den Konzessionsgeber gemäß Konzessionsverordnung bleibt nach wie vor am spannendsten die Frage, ob es sich überhaupt um eine Konzession, oder nicht doch um einen öffentlichen Auftrag handelt. Dann gilt nämlich bei Dienstleistungsaufträgen der viel niedrigere Schwellenwert von 209.000 € netto.

Schulnotenrechtsprechung des OLG Düsseldorf

Im weiteren Tagungsverlauf stand die Schulnotenrechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Focus: Dr. Christine Maimann, Richterin im Vergabesenat des für das Vergaberecht stets wegweisenden OLG Düsseldorf, erläuterte zunächst die Entwicklung der Schulnotenrechtsprechung. Sie wies auf eine noch nicht veröffentlichte Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 02.11.2016 (VII Verg 26/16) hin, in der obiter dictum die Wertung anhand eines hinsichtlich der Erfüllungsgrade weiter ausdifferenzierten Schulnotensystems mit funktionalen Unterkriterien nicht beanstandet wurde. Sie betonte, dass auch der Senat einen Wertungsspielraum des Auftraggebers sieht. Damit konnte sie den Zuhörern die schlimmsten Ängste vor der Senatsrechtsprechung nehmen. Gleichwohl müssen die Bieter bei Angebotserstellung erkennen können, worauf es dem Auftraggeber ankommt, um Manipulationsmöglichkeiten auszuschließen. Der Bieter müsse aber nicht vorab errechnen können, wie viele Punkte er erhält. Insoweit sei die Senatsrechtsprechung bisher missverstanden worden.

Anforderungen an eine transparente Bewertungsmatrix aus Bieter- und Auftraggebersicht

Rechtsanwältin Monika Prell (Bitkom Consult Vergaberecht) erläuterte anschaulich den Wunsch der Bieter nach Transparenz. Eine Bewertung nach dem „Nasenprinzip“ dürfte aufgrund der vorab bekanntzugebenden Kriterien und Unterkriterien nicht möglich sein. Rechtsanwalt Dr. Marc Opitz (Kapellmann und Partner) vertrat die Auftraggeberposition und erinnerte in seinen fundamental und durchaus überzeugend begründeten Ausführungen, dass es kein Optimierungsgebot für den Transparenzgrundsatz gäbe. Transparenz bei der Bewertung könne auch ex post hergestellt werden. Überbordende ex ante Transparenz würde gleichförmiges Bieterverhalten begünstigen, ließe keine angemessene Berücksichtigung der Angebotsunterschiede zu und würde daher den Wettbewerb behindern. In der Diskussion wurde die Spaltung der Anwaltschaft hinsichtlich der Frage des Bestehens einer Rügeobliegenheit bezüglich unzureichend mitgeteilter Bewertungsmaßstäbe vor Angebotsabgabe deutlich: Je nachdem, ob sie der Auftraggeber- oder der Bieterposition zugeneigt sind, finden die Anwälte hier ihre Argumente.
Hier mischte sich Richterin Dr. Maimann noch einmal in die Diskussion ein: Gerade die Uneinigkeit der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bestätige doch, dass für Bieter mit ihrem laienhaften Verständnis ein Vergaberechtsverstoß wegen unzureichender Bekanntgabe des
Bewertungsmaßstabes in der Regel vor Angebotsabgabe nicht erkennbar sei. Offen blieb, ob der
Vergabesenat des OLG Düsseldorf seine Transparenzanforderungen noch einmal überdenken wird,
weil der EuGH (Urteil vom 14.07.2016, Rs. C-6/15) offensichtlich eine Vorab-Bekanntgabe des
Bewertungsmaßstabes nicht für zwingend erforderlich hält.

Ausblick

Am Ende der Tagung wies die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dr. Mutschler-Siebert noch auf die nächste Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht auf dem Deutschen Anwaltstag in Essen am 25. Mai 2017 hin. Dort wird es in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft IT-Recht um die Erfahrungen der Anwaltschaft mit der eVergabe und die Vergabe von IT-Leistungen gehen.

Rechtsanwältin Dr. Eva-Dorothee Leinemann, Berlin

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