19. Deutscher Verwaltungsgerichtstag

19. Deutscher Verwaltungsgerichtstag

Auf Einladung des BDVR fand vom 15. bis 17. Mai 2019 der 19. Deutsche Verwaltungsgerichtstag bei strahlendem Sonnenschein in der Wissenschaftsstadt Darmstadt statt. Im Tagungsgebäude, dem modernen Kongresszentrum darmstadtium mitten in der Innenstadt Darmstadts, trafen sich von Mittwochmorgen an rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Justiz, Verwaltung, Wissenschaft und Anwaltschaft, um sich über die aktuellen Herausforderungen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auszutauschen. Dazu gehörten in diesem Jahr insbesondere die Rechtsentwicklung im europäischen und nationalen Flüchtlingsrecht, die Einwanderungsgesetzgebung und die Digitalisierung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren.

Nach der Registrierung wurde die Eröffnungsveranstaltung am Mittwochvormittag von dem Vierfarben Saxophonquartett, das seinem Namen alle Ehre machte, musikalisch eingeleitet. Nach dieser sehr gelungenen Einstimmung begrüßte der Vorsitzende des BDVR Dr. Robert Seegmüller die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer mitreißenden Eröffnungsansprache zum Thema „Bewährtes bewahren – Überkommenes mutig erneuern“, in der er einen mutigeren Gesetzgeber forderte, der sich den aktuellen Herausforderungen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit stellt. In den darauffolgenden Grußworten sprach sich die Staatssekretärin des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Christiane Wirtz als Vertreterin der Bundesregierung für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zum Erhalt der Leistungsfähigkeit der Justiz aus und verwies auf den am 31. Januar 2019 von der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder geschlossenen „Pakt für den Rechtsstaat“. Die Hessische Ministerin der Justiz Eva Kühne-Hörmann bezeichnete die Verwaltungsgerichtsbarkeit als eine „echte Errungenschaft der Demokratie“ und forderte diese auf, dafür zu sorgen, dass Entscheidungen durch die Bürgerinnen und Bürger nachvollzogen werden könnten. Denn das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat sei der Grundstoff für die Akzeptanz seiner Entscheidungen. Die Regierungspräsidentin des Regierungspräsidiums Darmstadt Brigitte Lindscheid hob die besondere Bedeutung der Digitalisierung für unsere moderne Gesellschaft hervor, die auch von Justiz und Verwaltung nicht unterschätzt werden dürfe. Der Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt Jochen Partsch verglich die Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit denen eines Oberbürgermeisters, wobei das Wohl der Bürger der gemeinsame Nenner sei. Außerdem sprach er sich gerade in Fragen des Asylrechts für mehr Weltoffenheit aus. Nachdem schließlich die Präsidentin der Vereinigung der Europäischen Verwaltungsrichter Dr. Edith Zeller noch einen europäischen Blick auf die Bedrohung des Rechtsstaats geworfen hatte, leitete eine zweite musikalische Einlage durch das farbenfrohe Saxophonquartett den diesjährigen Festvortrag zum Thema „Der Rechtsstaat nach 70 Jahren Grundgesetz“, gehalten von dem Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Peter M. Huber, ein. Dieser beleuchtete die Rechtsstaatlichkeit auf analytische Weise zunächst historisch und mit Blick auf unsere Nachbarländer, um so die Herausforderungen und Gefährdungen in unserer heutigen Zeit herauszuarbeiten. Abgerundet wurde die Eröffnungsveranstaltung durch einen weiteren Auftritt des Vierfarben Saxophonquartetts, das mit großem Beifall verabschiedet wurde.

Nach einer Mittagspause folgten am Nachmittag parallel die ersten vier Arbeitskreise zu den Themen „Aktuelle Fragen der Einwanderungsgesetzgebung“, „Gerechte Beurteilung von Beamten- und insbesondere Richterarbeit“, „Rechtliche Probleme bei der Nutzung von Windenergie“, „Das Internet als Herausforderung der inneren Sicherheit im beginnenden 21. Jahrhundert“ sowie der Workshop des UNHCR zum Thema „Aktuelle Fragen des materiellen Flüchtlingsrechts“, in denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Experten der jeweiligen Themengebiete vertieft austauschen konnten.

Am Mittwochabend gab es beim Empfang der Hessischen Landesregierung in der dem darmstadtium gegenüber liegenden Otto-Berndt-Halle auf dem Gelände der Technischen Universität Darmstadt und den anschließenden Treffen der BDVR-Landesverbände in beliebten Restaurants und Kneipen Darmstadts neben Essen und Getränken ausreichend Gelegenheit zum persönlichen Gespräch.

Der zweite Tag der Veranstaltung am Donnerstag galt im Wesentlichen der inhaltlichen Arbeit in den Arbeitskreisen. Am Vormittag beschäftigen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den spannenden Themen „Das Gemeinsame Europäische Asylsystem – Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven“, „Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz“, „good-judging – Maßstäbe für richterliches Arbeiten“ oder „Legal-Tech“. Nach der Mittagspause und einer Präsentation der Datenbank beck-online folgten die Themen „Ungefragte Fehlersuche im Asylrecht?“, „Aktuelles zum Öffentlichen Bau- und Nachbarrecht aus anwaltlicher Sicht“, „Die Amtsermittlungspflicht – Auslauf- oder Zukunftsmodell?“, „Digitale Rechtssicherheit in der Justiz“ und auf Englisch „AEAJ (VEV) – The discretionary power of the judge“.

Nach einer kurzen Einleitung durch Herrn Dr. Robert Seegmüller diskutierten bei der Abschlussveranstaltung am Freitagvormittag der Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Frau Tine Fuchs vom Deutschen Industrie- und Handelstag, Herr Dr. Thomas Krämerkämper vom BUND NRW e.V., Prof. Dr. Thomas Mann von der Georg-August-Universität und der Leitende Ministerialrat Dr. Christian Reitemeier unter der Moderation der Redaktionsleiterin der ARD Rechtsredaktion/Hörfunk Frau Gigi Deppe zu dem sehr aktuellen Thema „Realisierung von Großvorhaben in Deutschland als Quadratur des Kreises“, was nicht nur an dem zeitgleich im Bundesrat angenommenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung u.a. des § 48 VwGO deutlich wurde. Die Diskussion zeigte darüber hinaus, dass die von der Politik gewollte und erforderliche Beschleunigung der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in diesem Bereich alleine mit Änderungen im Verfahrensrecht kaum zu erreichen sein wird, sondern dass vom Gesetzgeber auch Änderungen im materiellen Recht zu erwägen sein werden.

Einen krönenden Abschluss des inhaltlichen Tagungsprogramms bildete schließlich am Freitagnachmittag – passend zum Sitz der European Space Agency (ESA) in Darmstadt –  der Sonderarbeitskreis „Das Weltraumrecht – Einführung in eine bislang fast unbekannte Rechtsordnung und ihre Probleme“, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch juristisch einmal über das eigene Universum hinausblicken ließ.

Neben diesem anspruchsvollen inhaltlichen Programm bot zudem das vielfältige Rahmenprogramm Gelegenheit zu einem Blick über den Tellerrand. Bei Führungen zur weltberühmten Mathildenhöhe und anderen Wahrzeichen der Stadt, Besichtigungen zahlreicher ortsansässiger Unternehmen und Ausflügen etwa zu dem Welterbe Grube Messel konnten die Gäste die Wissenschaftsstadt Darmstadt und ihre Umgebung von ihrer schönsten Seite kennenlernen. Zudem gab es auch bei dem diesjährigen Verwaltungsgerichtstag wieder die Gelegenheit, sich am Donnerstagabend beim Richterkabarett über die Eigenheiten der (Verwaltungs-)Richterinnen und Richter zu amüsieren.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der 19. Deutsche Verwaltungsgerichtstag in Darmstadt ein voller Erfolg war und Anlass zur Vorfreude auf den 20. Deutschen Verwaltungsgerichtstag vom 11. bis 13. Mai 2022 in Würzburg gibt.

Antonia Otto
Richterin am Verwaltungsgericht Darmstadt

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